Am 08.02. startete ein halbes Dutzend Katzen am Flughafen Tegel gen Malaysia. Diesem Großereignis ist ein genau halbjähriger Planungsvorlauf vorausgegangen, es wurde schließlich zu einem recht gewaltiges Katzenprojekt - mit allerlei Beteiligten außer den Lieblingen. Mein Web-Postfach-Ordner "Malaysia" ist auf mittlerweile 146 Mails angeschwollen. Und wie im Nebeneffekt war dabei nicht nur so etwas wie "internationale Erfahrung" zu gewinnen ;-), sondern stellte sich recht selbstverständlich eine wachsende konstruktive züchterische Zusammenarbeit ein, was schließlich doch nicht so ganz nebenbei geschah, sondern die Sache, wie sie am Ende gut gelaufen ist, eigentlich erst ermöglicht hat. Eines gewissen unverständlichen Seltenheitscharakters wegen, ist solch freundschaftlich vertrauensvolles Miteinander in Züchterkreisen bedauerlicherweise an dieser exponierten Stelle eine besondere Erwähnung wert.
Angefangen hatte alles mit einem frühmorgendlichen Anruf Anfang August. Mein Richterfreund Andreas meldete sich vom Strand in Kuala Lumpur mit der Frage, ob ich den Caramel-Buben denn noch hätte. Reichlich desorientiert und schlaftrunken glaubte ich zunächst, der will mich veräppeln. Aber nein, er war wirklich auf einer TICA-Show in Malaysia zum Richten und gab mir nur eine Anfrage weiter - vom Präsident des ausrichtenden Vereins, der gern eine Britenzucht mit interessanten Farben aufbauen wollte und damit dort der erste wäre. Der Caramel aber war gerade frisch vermittelt, genau wie seine Chocoschwester. Aber ich hatte unvorhergesehenerweise einen sehr schönen Lilac-Kater aus dem P-Wurf wieder neu zu vergeben, dessen beabsichtigter Auszug sich durch tragische Umstände in der neuen Familie leider erledigt hatte und der mittlerweile schon acht Monate zählte. Das wäre ja auch ein guter Anfang.
Prompt kam die erste Mail von diesem Ismail, ob ich ihm den Lilac Kater denn wohl verkaufen und Fotos von ihm schicken würde. Perkun gefiel ihm, wir verhandelten (und handelten auch ein wenig nach muslimischer Manier), er versprach mir gut zu ihm zu sein und immer eine streichelnde Hand für den Schmusi zu haben, doch dann sollten lauter weitere Fragen auftauchen - vor allem organisationstechnischer Natur. Wie verschickt man eine Katze nach Malaysia?
Die initiale Grundfrage also, auf welchem Wege denn nun der Kater am besten einmal durch die halbe Welt nach Fernost gelangen sollte, zog nicht nur die nach der Reiseroute in etwaiger menschlicher Begleitung nach sich, sondern auch die nach einer felinen Flugbegleiterin - denn ein Kater allein ergibt noch keine neu zu begründende Britenzucht. Zunächst überlegten wir, ob wohl ein europäischer Richter zu seiner nächsten Show im November ein Pärchen mitnehmen könnte, diese Idee zerschlug sich wegen allerlei Unwägbarkeiten relativ rasch, kein deutscher Richter war mehr zu kriegen, innerhalb Europas würde es sowieso wieder nächste Transportfragen aufwerfen, überhaupt waren diesmal hauptsächlich amerikanische Richter geladen und auf solch einem Langstreckenflug würden die Katzen ohnehin nicht als Handgepäck sondern nur im Frachtraum befördert.
Wir fuhren mit Perkun zwischenzeitlich noch zur Ausstellung nach Leipzig, wo er den vierten Platz im Kittenring belegte (von über 50 Jungtieren, obwohl er als Schwergewicht vom leicht irritierten Richter erstmal zurückgeschickt werden sollte - mit dem Verweis: das ist ein Kittenring!) und außerdem Best in Show machte, Andreas erneut feststellte "das ist ja mal klar, der geht nach Malaysia" und wir also nach einer künftigen Frau für ihn Ausschau hielten. Ein wunderschönes Chocotortiegewinnermädchen gelangte in unser Visier, aber ihre Züchterin mochte über so eine weite Entfernung für ihre Püppi gar nicht nachdenken. So wie sie reagierten im folgenden einige Züchter, die ich persönlich oder schriftlich ansprach. Das exotische Vorhaben stieß auf besorgte Skepsis und nicht nur einmal hieß es "essen die nicht sogar Katzen da?" was trotz des ironischen Untertons einiges über Vorbehalte aussagte, eine solche Distanz erscheint erstmal etwas unheimlich, wie man auch - andere Länder, andere Sitten - gleichsam eine von uns grundverschiedene Art der Katzenhaltung unterstellte. Betrachtet man hingegen dortige Showfotos oder Vereinsseiten wirkt das ganze Geschäft nicht anders als hierzulande, trotz des fremdländischen Charakters seltsam vertraut, in Zeiten des Internets findet man Züchterhomepages wie bei uns, Katzenforen wie bei uns und das global verbreitete Royal Canin ist auch da bevorzugtes Futtermittel.
Irgendwie fühlte ich mich nun dafür zuständig, Ismail sowohl den Flug als auch die weibliche Mitgift für Perkun zu organisieren. Die erste Runde der Transportfrage ging an Anika (Cattery of Linlithgowshire), sie recherchierte nach möglichen Pet-Shipping-Unternehmen. Es kristallisierten sich zwei heraus, wovon das mit dem entsprechenden Namen relativ rasch überzeugte. Inzwischen war auch eine Braut im Verwandtenkreis gefunden, Cagiva eine chocoweiße Tochter von unserem Othello, die von Diana (von Solembum) aus Wolfsburg kam. Das gefiel Ismail gut, denn er wollte am liebsten bicolour, was passte, und/oder cinnamon, was sie aber dann doch nicht trug (Perkun ebensowenig).
Wieder widmeten wir uns nunmehr zu dritt virtuellen Homepage-Streifzügen, Telefonaten und Mailanfragen. Ich glaube ich hatte mir inzwischen einen nahezu kompletten überblick erarbeitet, wo in Deutschland es theoretisch Mädchen mit Cinnamon gab, aber passen tat praktisch nicht eine. Meine nach NRW verzogene Freundin Chantal (of shining candlelight) hatte dafür aber noch ein schwarzes Mädchen anzubieten, die ihm das hier sehr begehrte Kartäuserblau in einer dann größeren Farbvielfalt bescheren konnte. Ismail wurde gefragt und wollte auch sie. Nun waren es schon drei Miezen.
Aber ich bekam erstmal ein Kind. Und Ismail hatte vor seiner großen 12-Ringe-Novembershow auch keinen Nerv, sich um Neuankömmlinge gebührlich zu kümmern. Ende Oktober aber kam schon mal Joana aus Düsseldorf mit einer Kollegin ihrer Züchterin nach Berlin angeflogen, denn wir fanden es sinnvoll, dass die Katzen einander kennenlernten und an einem Ort für die bevorstehende Verschiffung versammelt werden. Anfang Dezember an einem superfrostigen Wintertag (-15 Grad) brachte meine Tochter Nora von einem Vorstellungsgespräch Cagiva per Bahn aus Wolfsburg mit her und ich holte beide mit Baby vom Hauptbahnhof ab. Beide Katzendamen lebten sich gut bei den Mullemiezen ein und sollten hier noch allerhand Zeit verbringen bis alles endlich startklar war.
Es gab diverse Telefonate, variantenreiche Angebote von Petshipping und meinen frommen Wunsch, die Katzen doch möglichst noch vor Weihnachten abfliegen zu lassen (was dann doch nicht gelang), Kennel wurden bestellt, die Flugbedingungen immer klarer (lieber jede Katze separat und nicht zwei Katzen in einem Behälter, bester Flugtag sei Dienstag oder Mittwoch, da der große Anschlussflug von Frankfurt am selben Abend gehen konnte und die Tiere nicht über Nacht in der Tierstation verbleiben müssten). Eine vierte Katze, Akulina von Manfred (of the blue orca) in chocolate (eine Tochter meines Caramelkater Levins und mit statistisch halber Wahrscheinlichkeit ebenfalls Vererberin des Dm-Gens) hatte sich hinzu gesellt und wir ersonnen eine Art Ringtausch. Dafür dass Akulina nach Malaysia ging, ging Rufus (einer meiner Roten Rebellen) zu Manne nach Falkensee.
Aber wir hatten nur ein Tier in Bico und noch immer keins mit Cinnamon/Fawn. Außerdem waren die drei Damen eher mehr als weniger weitläufig mit Perkun verwandt, ganz vielversprechend im Sinne der Linienzucht, aber zur Erweiterung der noch sehr schmalen Zuchtbasis wäre völlig fremdes Blut ja auch sehr sinnvoll. So kam es schließlich, dass Manuela (of Bastet's Garden) als fünfte Züchterin unserem Bündnis beitrat und den kleinen Fawnkater Scoobi Doo und eine chocolate-rot-weiße Cinnamonträgerin Pabbles einbrachte.
Wir hatten mit reiflicher überlegung eine wirklich tolle Truppe und solide Zuchtausgangsbasis zusammen komponiert. Mit den inzwischen drei Erwachsenen: Perkun, Akulina und Pabbles kann es bald schon in Asien losgehen, die dort relativ unbekannte Rasse British Shorthair zu etablieren. Aus diesen sechs Tieren wird es schon in der nächsten Generation möglich sein, alle klassischen Solid Farben mit weiß zu ziehen. Ismail dankte uns "so much for all the help to make my dream come true" und bekam noch einige Informationen und guten Rat in Form von Musterverpaarungen ins Gepäck für seinen neuen Weg als Britenzüchter.
Verpaarungen Übersicht
Perkun und Akulina
Perkun und Cagiva
Perkun und Joana
Endlich konnte die Gruppe nun gen Malaysia ziehen. Den anspruchsvollen Deal in seiner Gesamtheit mit reichlich auftauchenden Randaspekten (züchterische Gesichtspunkte, Ablaufplanung etc.) zu vereinbaren, sich über diverse Details in einer fremden Sprache zu verständigen und dies (von der territorialen Entfernung einmal abgesehen) auch über kulturelle Mentalitätsunterschiede hinweg zu bewältigen, war streckenweise eine ganz ordentliche Herausforderung. Meinem Sohn Arno sei Dank für das häufige Dolmetschen der Mails in ein perfektes Englisch. Im Januar zog die heiße Planungsphase noch einmal an, die Katzen wurden alle gemäß der Einfuhrbedingungen ausgestattet, der übrige Verwaltungskram geregelt, Ismail besorgte die "Importpermit" und die freundlichen Kollegen von Petshipping alias GK Airfreight Service - die wir gut und gern als professionellen, hilfreichen und geduldigen Partner für solche Projekte wärmstens empfehlen können - offerierten immer nettere Angebote und erkannten meine Telefonnummer inzwischen schon auf ihrem Display "ach die Frau Nicolai".
Schließlich war dann doch alles in Sack und Tüten (bzw. Varikenneln) und nachdem die Katzen beim Amtstierarzt ihre Legalisation erhielten, konnten wir die wertvolle Fracht am 08.02. ein bisschen stolz und auch recht wehmütig (Abschiedsschmerz!) auf die weite Reise schicken. Nicht nur Ismail war ganz "excited" und ich flog im Geiste sowieso die ganze Strecke mit. Start 08.02. 14:45 Flughafen Tegel, via 22:50 Frankfurt/Main, Ankunft 09.02. 19:40 Ortszeit (12:40 MEZ) Kuala Lumpur.
Es ging alles gut, die Tiere sind gesund und munter am Bestimmungsort angekommen, wurden mit einer Schale Beef von ihrem neuen Menschen empfangen, mussten zwar noch für eine Woche am Flughafen in Quarantäne bleiben, wo er ihnen jedoch einen klimatisierten Raum und Service hinzubuchte und Ismail kann es kaum erwarten sie heimzuholen "I just can't wait to have them in my home".